Das heutige Blogpost ist wieder ein Spiegel meiner Gedankengänge, auch mit dem Sinn es einmal niedergeschrieben zu haben und es gleichzeitig dabei ein wenig zu verarbeiten. Inhaltlich beschäftigte mich die letzten Tage einmal mehr Holzkamps Ansatz einer subjektwissenschaftlichen Theorie. Und zwar genau weniger dem Aspekt folgend, was daran subjektwissenschaftlich sei, deren Argumentation habe ich mich schon vor längerer Zeit genähert. Es war vielmehr die Frage, inwiefern es sich hierbei um eine Theorie handelt, bzw. inwieweit man dem Vorwurf eines, wie es bei J. Ludwig zu finden ist, sich nicht eventuell um eine „normativ-substantialistische“ Festsetzung handelt. (Joachim Ludwig, Bildung und expansives lernen, in Faulstich P., Ludwig J. Expansives Lernen, Hohengehren, S. 40ff.)
In der Lektüre dieses Kapitels des oben erwähnten Buches nehme ich mit:
1. Lernhandeln unterscheidet sich aus der Perspektive Holzkamps von Alltagshandeln. In welchem Sinn? Indem es aus Problemen in Lernereignissen angeregt zu einer Reflektion problematisch gewordener Alltagsaspekte kommt. Und folgt man Joachim Ludwig weiter, so ist es zunächst notwendig zu verstehen, was Holzkamp unter Handeln versteht. Im zweiten wäre dann wichtig den Begriff der Subjektivität zu erörtern.
Lernhandeln vollzieht sich in zwei einander abhängigen Prozesse dem Aneignungsprozess und dem Vergegenständlichungsprozess.
Handeln wird nach der Darstellung Ludwigs im Handlungsmodell beschrieben als Vollzug von praktischen und kognitiven Tätigkeiten und im Vollzug dieser Tätigkeit der Aneignung der spezifischen Qualität. Als Gegenstück kann man den Prozess der Vergegenständlichung als dem „Übergang des Subjektes und seines Bewusstseins in die Objekte.“ (Ludwig S. 44) Dabei nimmt Holzkamp nach Ludwig Bezug auf Leontjew für den Aneignungsprozess und Marx für das Vergegenständlichungsprozess. Folt man Ludwigs Darlegung weiter, so wird basierend auf dieses Modell der „Angelpunkt“ für den Subjektstandpunkt als eine subjektwissenschaftliche Lerntheorie gelegt, indem er die Schlussfolgerung aus dem Handlungsmodell ableitet: „(…), dass an der Lebenstätigkeit der konkreten Subjekte sowohl ihre Befangenheit in den gesellschaftlichen Deformierungen als auch ihre Überschreitungen gesellschaftlicher Praxen wissenschaftlich abbildbar sind.“
Jetzt erschließt sich mir näher auch wenn es banal klingt, aber was mir doch Kopfzerbrechen bereitete: Handeln kann von ihm auch kognitiv verstanden werden. Mit „aktiver Aneignung von Welt“, der das Subjekt nicht „neutral gegenüber stehen kann“ schwingt mit, dass aus dem lernhandelndem Menschen aus der Umwelt Grenzen und Grenzüberschreitungen als Bedingungen gesetzt werden. Das deutet den Spielraum an. Ein weiteres subjektmerkmal ist die Betonung des „Interesses“, das im „Lebensinteresse“ begründet ist. Ausgehend von diesem Interesse findet die Zuweisung und Beimessung von Bedeutung Lernhandeln. Und ohne das Interesse getroffen zu haben findet eigentliches Lernhandeln nicht statt.
Lebensinteresse meint hier mehr als Lerninteresse oder gar Motivation. Wenn ich hier richtig liege bezeichnet es einen humanen Wesenszug und hat damit eine Bestimmte anthropologische Dimension. Das Zuweisen von Bedeutung bezeichnet Holzkamp als „Gebrauchswertvergegenständlichung“. Wenn also hinter der Vergegenständlichung die Verortung in den subjektiven und intersubjektiven Horizont des Wissens steht, dann steht hinter der Gebrauchswertvergegenständlichung eine Brücke von der Zuordnung zum neuen Anwendungskontext – also dem Transfer auf neue Objekte.
In der Wortwahl Bedeutungskonzept schwingt für mich schon mit: Bedeutung kann nur auf subjektiver Ebene zugeordnet und intersubjektiver Ebene ausgetauscht werden.
Fast nur am Rand erscheinen nun die beiden wirklichen normativen Setzungen, die Holzkamp nach Ludwig vollzieht: Lernen als Lernhandeln kann nicht entgegen dem eigenen Interesse geschehen, wenn es nicht für ihn plausibel begründet wird. Und die zweite Setzung: Dem Lernhandeln einher geht die „Möglichkeit der intersubjektiven Kommunikation“.
2. Die Begriffspaarung expansiv-defensiv als dialektischer Ausdruck
Auch wenn die Gegenüberstellung dazu reizt: Expansives Lernen entspricht dem Subjektinteresse entsprechendes und in den Begründungskontext passendes, defensives dem grundlos zu vermittelnden Lehrhandeln: Die Mahnung Holzkamps ist nach Ludwig einen Gedanken wert: Er verweist auf die Untrennbarkeit und Nichtspaltbarkeit der beiden Begriffe als Lehr-Lernhandlungen. Sie sollen „dem gesellschaftlichen Doppelcharakter von sowohl begrenzter als auch verallgemeinter gesellschaftlicher Teilhabe“ Rechnung tragen.
Somit wird quasi ein kurzes Match-Pattern ausgeschlossen. Als wissenschaftlichen Ansatzpunkt nennt er „Bedeutungs-Begründungs-Analysen“ die auf historisch-konkretes Bezieht.
3. Somit ist bislang der Subjektstandpunkt und der Handlungsprozess im expansiven Lernen geklärt. Für die Analyse von Lernprozessen bietet Ludwig nun in Interpretation von Holzkamp auf weitere Anwendungsbereiche seiner subjektwissenschaftlichen Theorie folgende Ansatzpunkte:
a) In den Möglichkeiten der Gestaltung von Aneignungs- und Vergegenständlichungsprozessen an sich, die ein expansives Lernen im sinn von Aneignen und Vergegenständlichen auf dem Horizont im Sinn des Arrangieren von lernsubsubjektbezogenem Lernarrangements. Oder in der Holzkampschen Terminologie in der Gestaltung von subjektnahen Problemen die zu Lernhandeln anregen.
b) An der Art der Charakteristika von Gestaltungen von Aneignungs- und Vergegenständigungsprozessen, die ein subjektives aneignen von Lernobjekten und intersubjektives Austauschen von Bedeutung ermöglichen, damit „Lernschleifen“ im holzkampschen Sinne für einen Austausch von Selbstaneignung und Fremdaneignung führen unter der Prämisse einer bestimmten Lernkultur, der er die Bezeichnung „kooperatives Lernen“ gab.
Puh! Forschung kann so viel Freude machen
Bis denne
Andreas