Irgendwie weiss ich noch nicht wirklich, mit der Art und Weise des medialen Umgangs mit dem Rücktritt des Bundespräsidenten umzugehen. Und ich versuche diese „kleine“ Hilflosigkeit heute einmal in Worten zum Ausdruck zu bringen. Nehmen wir den Menschen doch zunächst selbst beim Wort:
„Ich bedauere, dass meine Äußerungen in einer für unsere Nation wichtigen und schwierigen Frage zu Missverständnissen führen konnten. Die Kritik geht aber so weit, mir zu unterstellen, ich befürwortete Einsätze der Bundeswehr, die vom Grundgesetz nicht gedeckt wären. Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen.“ (Quelle: http://www.bundespraesident.de/-,2.664352/Erklaerung-von-Bundespraesiden.htm)
Diese Worte hätten ja vielleicht das Potential für Geschichtsbücher der jüngeren Zeitgeschichte. Was mir hier auffällt und gleichermaßen Sorgen bereitet: Eigentlich das, was nicht gesagt wird. Otto-Normal erscheint es nur schwer, wie denn die geäußerte, begründende Wortwahl und die Reaktion übereinstimmen. Aber um so schwerer fallen doch die Interpretationen. Noch weigere ich mich die gestern permanent wiederholte ausgesprochene „Dünnhäutigkeit“, ob als Vorwurf oder teilweise als Charakterzug zum Ausdruck gebracht als einen triftigen Grund anzunehmen. Und wie bitte stehen Äußerungen, wie „Flucht“, „Aufgabe“ … im Verhältnis? Auch das erschließt sich mir nicht wirklich.
„Die Kritik geht aber so weit, mir zu unterstellen, ich befürwortete Einsätze der Bundeswehr, die vom Grundgesetz nicht gedeckt wären.“
Dieser Kernsatz, der bei den wenigen Worten zu finden ist, drückt doch alles Andere aus, als die erstmal vermutete Reaktion, die sich mit Attributen, wie „Aufgabe“, „nicht mehr wollen“, „beleidigtem Zurückziehen“ umschreiben ließen. Rücktritt ist bekanntermaßen ja die Wahl des letzten möglichen Mittels im Repertoire der Handlungen, der gewohntermaßen als Reakion erfolgt.
Was könnte im Nachvollziehen hier helfen? Nimmt man ein gestern immer nur mit „Volksnähe“ umschriebenes Merkmal von Herrn Köhler, dann war das, glaubt man bisheriger medialer Übermittlung, durch die Fähigkeit des Zuhörens geprägt. Zuhören qua Amt und Zuhören qua Person – diese Trennung verwischt häufig in der Wahrnehmung und an diesem Charakterzug wird sich ein(e) Nachfolgende(r) messen lassen dürfen.
Themenwechsel zum Rücktritt selbst:
Wenn (und hier muss aufgrund des wenig Bekannten spekuliert werden, wie es ja eigentlich alle tun aber es besser transparent täten) die oben zitierte Äußerung-Begründung darauf zielt, dass der politische Diskurs und (vielleicht aus parteipolitischer Positionsnahme) nicht mehr in der Lage sei das Gesagte ernst zu nehmen, sondern das, was sich daraus politisch verwenden lässt, dann erschließt sich auch die Folgerung nach dem fehlenden Respekt vor dem Amt. Dann wäre das mediale Hauptthema gestern jedoch nicht die persönliche und personale Entscheidung des zurückgetretenen Bundespräsidenten gewesen, sondern der alltagspolitische oder allgemeine politische Diskurs, die Kultur des Umgangs mit differierenden Meinungen, folglich dem was sich unter politischer Kultur fassen ließ. Mein Votum, ganz ab von den üblicherweise ja auftretenden Verschwörungstheorie einmal auf allen verfügbaren Ebenen wahrzunehmen, welche Kultur zu so etwas führt.
Passen aus einer solchen Perspektive heraus Äußerungen, wie „Wer austeilt, der muss auch einstecken können …“? Wohl kaum, denn sie vermischen hier einiges: Person, Position (aus der heraus ausgeteilt wurde) und Persönlichkeit. Und enttäuschenderweise treten sie eher als eine vorweggenommene Abwehrhaltung in Erscheinung als denn eine unglückliche Wortwahl. Neben dem Respekt vor dem Amt hätte als Handlungsalternative für den gestrigen Tag auch der Respekt vor der Person, die dieses scheinbar nicht einfache Amt ja einige Jahre ausgefüllt hat, auf der Tagesordnung stehen können. Eigentlich wäre es, wenn es außer der Bundeskanzlerin niemand sonst tut, an uns zu danken.
Schlussformel: „Bundesrepublik wir müssen Reden …“, vielleicht auch, „… und zuhören lernen.“ Und wenn hier nun plakativ steht: „Nehmt sie beim Wort“ steht der kleine bescheidene Appell zu einem kompetenteren Umgang mit dem medial vermittelten. Kleinere Fragen aus der Alltagskommunikation wären doch der Anfang: Wann zählt wieder das was jemand gemeint hat und nicht das, was ich darin sehe, lese, was sie/er meinte? Meine Sorge: Dass der Satz „Alle Macht geht vom Volke aus!“ als geduldeter Treppenwitz hinter vorgehaltener Hand endet, weil zu lange nicht mehr zugehört wurde und sich ausschließlich hinter Parteiengezänke irgendwann die empfundene politische Ohnmacht ausbreitet.
Soweit meine 2Cent und vielen Dank Herr Köhler.
Andreas