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Noch einmal Bologna und Web 2.0 – mein persönlicher Nachgang

Nachdem das eben verfasste Posting erst einmal ein Hinweis auf die Existenz des Arbeitsberichtes war und Darstellung seiner Vielversprechungen, wird mit diesem Posting versucht sich mit ihm auseinanderzusetzen. Hierbei steht weniger die Grundsubstanz in Frage als stattdessen der Versuch möglicher Würze zum Ziel.

Hängen geblieben ist für mich die ausführliche Auseinandersetzung mit den Kompetenzanforderungen im Bologna Prozess. Die hierbei zur Anwendung gelangte Erläuterung – hier als zwei Postulate zusammengefasst:
Kompetenz versus Bildung

„Kompetenzen – verstanden als Dispositionen für selbständiges Handeln und Problemlösen (Weinert, 2001) – stellen ein seit langem theoretisch und empirisch untersuchtes Konstrukt dar, das eine ernsthafte Alternative zum (deutschen) Bildungsbegriff ist.“

Und in der Weiterführung dieses Gedankens Kompetenzen im Anschluss zur Bildung:


„Studierende sollen überall in Europa auf ein Hochschulsystem treffen, das es ihnen ermöglicht, nicht bloße Fakten und enge Fertigkeiten, sondern Kompetenzen zu erwerben, mit denen sie ihre berufliche Zukunft gestalten können. Modularisierung und ECTS-System sind formale Leilinien, deren Umsetzung auch in Deutschland auf den ersten Blick weit fortgeschritten scheint. Ob dabei das dahinter stehende Konzept der Kompetenzorientierung ver-standen wurde, bleibt fraglich. Genau dies ist bisher noch eine vertane Chance, weil Kom-petenzen keineswegs unvereinbar mit einer umfassenden Bildungsidee sind, die vor allem von erklärten Bologna-Gegnern immer wieder ins Feld geführt wird.“ (
Reinmann 2007)


Mir erscheint dies deswegen zielführend, da hierdurch deutlich zum Ausdruck kommt, dass Grundsatzdiskussionen oft im Prinzipiellen verbleiben, doch pragmatisch gesprochen die Felder der notwendigen Implementation und Umsetzung noch nicht gelöst sind, geschweige denn vorangetrieben würden. Die sich anschließende Frage, die sich mir stellt erscheint zunächst suggestiv, soll aber gar nicht so sein: Könnte es sein, dass wir uns gerade in diesen Diskussion prinzipieller Natur aufreiben?

Wozu mich mehr Gedanken anregen ist die Skizze Reinmanns von dessen, was sich hinter ihrem Verständnis von Web 2.0 verbirgt. Zunächst nicht überraschend ein Bild der Diversität. Ob jedoch die dargelegten Fakten über Technologieaffinität über Net-Generation jetzt oder in Zukunft solche Wichtigkeit haben steht für mich zumindest mit kleinem Fragezeichen versehen. Reinmann zitiert auch Oberlinger & Oberlinger, doch scheinbar kann man sie unterschiedlich lesen. Mich hat die Schilderung ihres „Eric“ als rhetorischen einführenden Charakter in der Form überzeugt, als dass sie zum studentischen Alltag dazugehörend Technologie anwendet, aus der Nutzungsperspektive. Also, weil sie da ist und weil sie – als gewinnbringend empfunden-  Anwendung findet. Und die inspiriert mich „tröstend“ zu den real existierenden Nutzungszahlen zu der Aussage: Wenn gewinnbringende Lehr-Lern-Arrangements existieren, werden sie auch „irgendwie“ zur Anwendung gelangen.Nur zur Verdeutlichung als eine Art Gegenbeispiel: Von Thomas Wanhoff wurde schon einmal als die erste ARD-ZDF-Online-Studie herauskam zum Ausdruck gebracht, man könne sich auch fragen, ob nicht ein Großteil der dort erfassten Menschen in der Grundgesamtheit Web 2.0 Technologien nutzen, ohne zu merken, dass sie solche verwenden. Wie viele Webseitenanbieter auch aus dem Lager der Wissenschaft nutzjn zum Beispiel Blogs als kostenfreies CMS oder WIKIS, um schnell und sauber strukturiert Inhalte bereit zu stellen?! Anstelle der Frage: Kennen Sie Blogs und Nutzen Sie WIKIS, wäre ja auch die Frage: Kennen Sie (Hier eine URL und einen Träger der Site eingeben) und käme zu wahrlich anderen Zahlen. Und jetzt ganz am Rande bemerkt die Rechenaufgabe, wie viele Personen die ominösen 6% sind bezogen auf die im Internet angeschlossenen Haushalte als GG bringt erst wirklich den Effekt :-). Gut – abgesehen von den Zahlenspielereien hier: Richtig und betonenswert erscheint mir der Gedanke, genau zu schauen, ob denn die geplante Zielgruppe, für die ich ein Lehr-Lernangebot bereitstelle auch in der Lage ist, dies wahrzunehmen. Meine Erfahrung zeigt mir: Es bedarf schon sehr sehr guter Gründe, ein Angebot so zu gestalten, dass es nur unter einseitigen technischen Voraussetzungen (Nur Breitbandzugang etc. ) wahrgenommen werden kann.



„Nicht der Netzanschluss, sondern diese Web 2.0-Merkmale machen letztlich die Netzgene-ration aus, zu der auch Studierende von heute gehören sollen (vgl. Brahms & Seufert, 2007). Aktuelle Nutzungsdaten können genau das allerdings nicht bestätigen (z.B. Fisch & Gscheidle, 2006): Zwar ist richtig, dass, wer heute studiert, zu den „digital natives“ zählt, weil er mit digitalen Medien aufgewachsen ist und diese ganz selbstverständlich für Infor-mation und Kommunikation gebraucht. Aber: Weder spielt Web 2.0 eine so große Rolle bei jungen Onlinern wie oft behauptet oder vermutet, noch lassen sich Annahmen über Multitasking, Selbstorganisation, experimentelles Lernen und andere Eigenschaften der Netzgeneration bei uns feststellen, wie sie von amerikanischen Autoren wie Mark Prensky und Diana Oblinger postuliert werden (Prensky, 2005; Oblinger & Oblinger, 2005a und b).“
(Reinmann 2007)

Übrigens ganz interessant erscheint mir vor den Nutzungszahlen her betrachtet anstelle der Feststellung, dass gerade einmal „6% der Onliner“ im Partizipationsnetz angekommen seien,  das Faktum, dass aus der Podcastersurvey hervorgeht, dass von > 1000 befragten privaten Podcastern 80 % (amerikanischer Raum) und 60 % Europäischer Raum, davon viele aus Deutschland sich in einem Themencast mit Tätigkeiten, wie „sich Mitteilen“, „Informationen bereitstellen“, diese „Teilen wollen“ etc. alles Merkmale, die ich in die Motivation die des informellen Lernbereitschaftecke stellen würde. Und unter diesen war die akademisch gebildete Mittelschicht ein Hauptnutzer. Also anstelle des großen Fasses erscheint der Blick in die Struktur der kleinen Fässer viel versprechend. Und auch ein letzter Gedanke erscheint mir wichtig.

„Wenn man sich die aktuelle Prüfungspraxis ansieht, findet sich in der Regel eine Art universitärer Dreikampf: Klausuren, Referate, Hausarbeiten. Auch neue Bachelor- und Mas-ter-Prüfungsordnungen reproduzieren in aller Regel diese bescheidene Assessment-Variation. Elektronische Systeme zur Erfassung und Verwaltung von Credit Points – vielerorts euphemistisch als E-Bologna bezeichnet – passen sich dieser Praxis an und tragen dazu bei, dass innovative Assessment-Formen aus administrativen Gründen gleich gar nicht implementiert werden. Da die Anzahl der notwendigen Prüfungen im Zuge von Bo-logna steigt, wächst seitens der Lehrenden das Interesse an schnell zu korrigierenden, am besten automatisiert auszuwertenden standardisierten Prüfungen (Schiefner, 2007; Wolf, 2007; Wannemacher, 2007)“ (Reinmann 2007)


Zum Thema Prüfungen gibt es auch hier zwei Lesarten der gleichen Sache. Und dabei meine ich gar nicht verschiedene Formen im Detail, sondern prinzipielle Unterscheidungen. Eine Klausur, eine Hausarbeit oder ein Referat bezeichnen Endergebnisse. Gelerntes, geleistetes und gar wiedergegebenes (wiedergekäutes?) oder mühevoll entfaltetes (wie in der Hausarbeit) — Zuletzt steht das Produkt im Zentrum der Gedankenwelt.
Wie steht dies im Kontext von Web 2.0? Auch hier sind Produkte erkennbar! Hierbei weniger gemeint als Technologie, als Gedankenprodukte. Neben Oberlinger & Oberlinger steht für mich hier das, was sich unter
George Siemens Schilderung des Phänomens „Connectivism“ verbirgt, pate.
In seinen Prinzipien enthalten ist zum Beispiel auch die Erkenntnis dass mit Web 2.0 Technologien produziertes und dokumentiertes Wissen zum Beispiel unter Prämisse und dem Bewusstsein entsteht „für die Jetztzeit“ zu entstehen. Das ist nicht unter „Just in Time – Learning / oder gar Producing“ zu erfassen, sondern für mich entsteht hierbei eine schlicht andere Note: Ein Gedanke kann im Sinne eines Prozessgedankens mindestens genauso lernförderlich sein, wie ein Endprodukt kumulierten Wissens, wie es in einer Arbeit dargelegt worden ist. Und die wahre Herausforderung erscheint mir, im Sinne eines „neuen“ Leistungsgedankens, eben dieses prozessartige teilprodukt-orientierte und in den Erkenntniswegen mit kleinen Schritten vollzogene Lernerlebnis im Web 2.0 ebenso zu würdigen. Im Gegenzug heisst das aber auch: Ein Studierenden-Blog, ein Studierenden-Wiki ein Studierenden-Podcast oder PLE oder eine elektronisch unterstütze Lernbiographie bedarf zwar der Sorgfalt in der Führung doch muss er inhaltlich nicht der absoluten Weisheit letzter Schluss sein – netterweise teilt man das ja auch im Sinne eines globalen understatements irgendwo in den Rubriken der Intention dieses Blogs mit. Diese kann man auch in Grenzen wissenschaftlichen Publikationen überlassen – ein solcher Gedanke schafft schlicht Entlastung und baut Schreibblockaden ab. Prozess als zu würdigende Leistung – das mag zwar an Heftnoten in der Schule erinnern, doch in einem richtigen Setting spiegelt sich hier eher das wieder was dem ‚studere‘, dem sich bemühen oder streben nach der Zukunft dienlich wäre. Und hier wäre auch mein Ansatz der Förderung zu sehen, nicht nur durch Beratung, sondern – die Spiegelung durch potentiell „the wisdom of crowds“ oder auch alle beteiligten innerhalb der Lehre und letztenendes auch außerhalb der Lehre.


„Je mehr man aber mit einer Assessment-Methode feststellen kann, wie jemand ein Problem löst, welcher Prozess also hinter dem Produkt steht, umso eher lässt sich etwas über zugrunde liegenden Kompetenzen sagen.“(Reinmann 2007)

Und trotzdem sehe ich gerade aus dem lerner-orientierten Blickwinkel ein enormes Potential auch valide Leistungen beurteilen zu können. Sind denn ‚Offenheit für Entwicklung‘ – ‚Beratungskonstistenz‘ – ‚Erkenntnisstreben‘ – “Rechercheentwicklung‘ – ‚Ausdrucksfähigkeit‘ gar nicht operationalisierbar aus der individuellen Sicht? – Zumindest gleichwie: ‚Kooperationsfähigkeit‘ – ‚Partizipationswille‘ – ‚Fähigkeit zur Zitation (Aneignung fremden Wissens) und ‚sprachliche Einbindung / Reflexion der verwendeten Inhalte. Zu dieser Aussage liess ich mich von Christian Adams Long (hier) inspirieren, der einmal ein wunderschönes Posting darüber verfasste, welchen Bewertungsgrundlagen ein Blog unterliegen könnte. Sinngemäß äußerte er es in der Form, dass bloßes und korrektes wiedergeben von recherchiertem eine sehr zufrieden stellende Leistung sei. Sich inhaltlich hiermit auseinanderzusetzen, Rückmeldungen auf den verschiedenen Ebenen – unter Berücksichtigung der Netiquette der Blogosphere – sowie deutlich davon getrennter subjektiviertes Stellungnahme schlichtes bloggen von einer anderen Qualitätsstufe sei. Solches ist für mich eine „gute“ Orientierung, hilft sie doch aus dem Sumpf der Bauchgefühle heraus. Und solche brauchen wir mehr!

Soweit meine 2 cent und bis denne

Andreas Auwärter

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